Coronavirus: Deutschland wappnet sich
Was auf Unternehmen und Sparer jetzt zukommt
Das Coronavirus trifft die Wirtschaft schwer. Die Finanzmärkte stürzen ab. Deutschland schließt seine Grenzen, Schulen und Kitas. Veranstaltungen sind abgesagt. Das Land stemmt sich gegen die Krise – und nutzt seine Chance.
Die Unsicherheit um das Coronavirus sorgt für Panik an den Finanzmärkten. Wie ernst ist die Lage?
Sehr ernst. Die wellenförmige Ausbreitung des Corona-Virus und die rigorosen Maßnahmen der Staaten zur Eindämmung des Virus sind für die Wirtschaft und dadurch auch für die Finanzmärkte eine große Herausforderung. Wir stehen in Deutschland vor einer Gesundheitskrise, deren Bekämpfung absolute Priorität hat.
Für die Entwicklung, die sich gerade abzeichnet, gibt es noch keine treffende Bezeichnung, sagt der Deka-Chefvolkswirt Dr. Ulrich Kater. „Der Vergleich mit einer Naturkatastrophe ist aber auf jeden Fall angemessen.“ Mit dem Unterschied, dass wir es bei Corona mit einer weltweiten Situation zu tun haben.
Wie hoch sind die Belastungen für die Weltwirtschaft?
„Wir stehen am Rande einer Weltrezession“, sagt der Deka-Chefvolkswirt. Die Unsicherheiten über die weitere Ausbreitung des Coronavirus sind nicht wegzudiskutieren. Das Wachstum der Weltwirtschaft wird kurzzeitig deutlich langsamer, es könnte sogar zu einer kurzzeitigen Schrumpfung kommen. Die Liefer- und Absatzprobleme werden noch eine ganze Weile auf der Wirtschaft lasten. Insbesondere für Europa und speziell für Italien revidieren die Volkswirte ihre Wachstumsprognosen nochmals nach unten.
Was kommt auf den Mittelstand jetzt zu?
Teile des Mittelstands stecken schon mitten im Unwetter, andere werden folgen. Wir sind in einer Rezession. Umso wichtiger ist es, dem Mittelstand zu helfen, sich wetterfest zu machen und ihm mit Finanzierung und Liquidität verlässlich beizustehen.
Wie reagiert der deutsche Staat?
Er wappnet sich. Ebenso wie in der Eurokrise die Europäische Zentralbank (EZB) richtig gehandelt hat, tut es jetzt die Bundesregierung in der Coronakrise: Finanzminister Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Peter Altmaier kündigten milliardenschwere Liquiditätshilfen für Firmen an. Das soll Unternehmen und Arbeitsplätze schützen. Scholz: „Wir werden jedes Mittel nutzen, das uns zur Verfügung steht.“ Es werde „nicht gekleckert, sondern geklotzt.“ Das sei ein „Whatever it takes“ der Bundesregierung, sagt Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka, und „genau die Nachricht, die es jetzt braucht, um selbsterfüllende Erwartungsspiralen zu durchbrechen.“
Damit sind auch kurzzeitige Hilfen für große Unternehmen sehr wahrscheinlich, die dies in dieser absoluten Ausnahmensituation benötigen. Kredite, Bürgschaften und Steuerstundungen für eine begrenzte Zeit der extremen Finanzbelastung sind jetzt gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen absolut sinnvoll. Kater: „Das Wichtigste ist jetzt, Unternehmen zu unterstützen und damit den Menschen die Sicherheit zu geben, dass ihr Arbeitsplatz erhalten bleibt.“
Gibt es auch gute Nachrichten?
Ja. China und Südkorea entwickeln sich wieder deutlich besser, die Kapazitätsauslastung in der Industrie ist schon fast wieder auf dem Niveau vor der Krise. Die Erholung der chinesischen Industrie von den Folgen des Coronavirus-Ausbruchs nimmt dem Handelsministerium zufolge Fahrt auf. China will seinen Außenhandel stabilisieren. Dazu überlegt die Regierung, die Importe zu erhöhen.
Die chinesische Regierung hilft der Wirtschaft beispielsweise mit Steuererleichterungen und einem verbesserten Zugang zu Infrastrukturfinanzierungen. Die Coronavirus-Pandemie wird nach Einschätzung des leitenden medizinischen Beraters der chinesischen Regierung wahrscheinlich in seinem Land bis Juni vorbei sein.
Wie geht es diese Woche weiter?
„Die klassischen Wirtschaftsdaten werden in dieser Woche an den Märkten keine Rolle spielen, da sie lediglich in den Rückspiegel schauen“, sagt der Deka-Chefvolkswirt Kater. Vielmehr werde die Entwicklung der Corona-Krise zur Messlatte für die Finanzmärkte. Da ist einmal die Ausbreitung der Krankheit selber. Dabei sollte in Europa der Höhepunkt der Neuinfektionszahlen etwas früher erreicht werden als in den USA. Aber auch in China wird sorgfältig beobachtet werden, ob die bisherige Beruhigung anhält.
Als zweites stehen die Entwicklungen der Finanzmärkte im Mittelpunkt. „Bei anhaltendem Abwärtsdruck an den Märkten sind weitere Maßnahmenpakete von Notenbanken und Regierungen zu erwarten, um die Verkaufsspiralen zu unterbrechen“, sagt Kater. Dabei rückt auch eine Aussetzung vom Handel an den Finanzmärkten für einige Stunden oder sogar Tage in den Bereich des Möglichen.
Wie sind die langfristigen Perspektiven?
Es bleibt bei der Einschätzung, dass es sich nur um vorübergehende Belastungen für die Weltwirtschaft handelt. Die Märkte werden kurzfristig sehr schwankungsanfällig bleiben. Das weitere Korrekturpotenzial ist aber begrenzt.
Worauf müssen Anleger jetzt achten?
Letztendlich wird auch diese Krise den gleichen Verlauf nehmen wie all die Krisen der vergangenen Jahrzehnte: Auf Panik folgt früher oder später erste Hoffnung, dann Erleichterung und schließlich eine durchgreifende Erholung. Insofern ist gerade in solch einer Situation für die Anleger in erster Linie Gelassenheit angesagt.
Risikobereite Anleger können sogar schon überlegen, ob sie die niedrigen Kurse zum schrittweisen Einstieg in die Märkte nutzen wollen. Breit diversifizierte Anlageportfolien sind auf die langfristige Geldanlage ausgerichtet. Und deren Basis bleibt bestehen: Am langfristigen trendmäßigen Aufwärtspfad der Weltwirtschaft kann eine solche Krise nicht rütteln.
Die Belastungen des Coronavirus werden in den kommenden Monaten voraussichtlich nachlassen. Wenn der Infektionsverlauf in Europa demjenigen in China folgt, dann sollte auch hierzulande die Zahl der Neuinfektionen bald zurückgehen.
Die hier enthaltenen Aussagen geben unsere aktuelle Einschätzung zum Zeitpunkt der Erstellung wieder. Diese kann sich jederzeit ohne Ankündigung ändern.
(Stand: 16.03.2020)